Ein
Auszug der Offenbach Post,
vom
Samstag, den 6.Februar 2016
Notizbuch
zum Wochenende
Zwei
Seiten einer Medaille
Von
Michael Hofmann
Ein
versöhnliches und durchweg positives Fazit zog Seligenstadts
Stadtverordnetenvorsteher Peter Sulzmann zum Ende der letzten
Parlamentssitzung dieser Legislaturperiode. Da dies nach dessen
eigenem Bekunden auch die letzte Sitzung unter seiner durchaus
souveränen und respektierten Moderation war, mögen sich auch ein
wenig Wehmut und Stolz beigemischt und so zur Verklärung einer
keineswegs ruhmreichen Epoche beigetragen haben. Ihm habe der Job
Freude bereitet, und im Ergebnis habe das Plenum mitseinen fünf
Fraktionen auch gut gearbeitet. Vor allem dann, so Sulzmann weiter,
wenn es darauf angekommen sei, habeman gemeinsame Sache gemacht,
dabei eng und aktiv zusammengewirkt. Etwa beim dritten
Umgehungsabschnitt, als die fünf Fraktionen trotz der engagierten
Kampagne der Vereinigten Bürgerinitiativen unbeirrt bei ihrer
Entscheidung für die allgemein favorisierte Bahntrasse geblieben
seien. Ein, mit Verlaub, alles in allem sehr schmeichelhaftes Fazit,
dassich beim anschließenden Umtrunk mit Häppchen selbstzufrieden
nachverdauen ließ. Aber welcher Klassenlehrer weiß das nicht? Auch
die größten Sorgenkinder muss man mal loben, sonst ist bald gar
nichts mehr zu retten. Bei allem Verständnis für Pädagogik und
Diplomatie aber - in Wirklichkeit verhielt es sich doch zumeist ganz
anders.
Sternstunden“
im geschilderten Sinne lassen sich nebenden Umgehungs-Beschlüssen an
einer Hand abzählen. Der dieser Tage ergangene Kompromiss zur
Bebauung des Bahnhofsgeländes mag dazu gehören. Ansonsten: Viele
Entscheidungen nach Gutsherrenart, allzu oft ohne Rücksicht auf die
Belange der Bürger, statt dessen diesen übergestülpt - ideologie-
und interessen gesteuert. Anfeindungen und Beschuldigungen prägten
die Tagesordnung. Und das alles in einer - sorry - auch für
Seligenstädter Parlamentsverhältnisse unglaublich miesen
Atmosphäre. In „Hochzeiten“ erinnerte das alles mehr an den
Kalten Krieg, denn eine Versammlung von Feierabendpolitikern.
Trauriger Höhepunktwar - schon vergessen? - der so apostrophierte
„Vertrag der Schande“, als unsere Volksvertreter während der
schweren Krebserkrankung von Bürgermeisterin Nonn-Adams schon
ziemlich geschmacklos Verabredungen über ihre Nachfolge trafen -
natürlich aus Sorge um das Wohl der Stadt. Es folgten der
berühmt-berüchtigte „Scheiß-Antrag“, der dem Beschluss auf
Weiterentwicklung des Gebiets Bleiche, Jahnsportplatz und ehemaliges
Stadtwerkegelände zugrunde und inzwischen auf Eis liegt (2012); der
erbitterte Haushaltsstreit 2013, der erst am 1. Juli unter
Einschaltung der Kommunalaufsicht geschlichtet werden konnte; der
Urlaubsskandal (2013), als sich Nonn-Adams mit dem Vorwurf
konfrontiert sah, sie habe zum 1. Juli schon die 13. Woche Auszeit
genommen; die Biotonnen-Affaire, der Kuhhandel „FSC-Waldzertifikat
gegen Bürgermeisterwahltermin“ und das Gezerre um die Erhöhung
der Betreuungsgebühren (alles 2014). Hinzuzählen könnte man auch
die reichlich unverschämte und den Steuerzahler zehntausende Euro
kostende Vorverlegung der Bürgermeisterwahl und der prompt folgende
Bürgermeisterwahl-Skandal samt Einspruch 2015, der ebenfalls auf
Kosten der Steuerzahler geht. Die erklärte Feindschaft zwischen
CDU/Grünen und Bürgermeisterin, die diese freilich mit gleicher
Leidenschaft erwiderte, tat ein Übriges. So können wir Peter
Sulzmanns Schlussappell nur bedingt zustimmen: Den Rat „Nehmen Sie
das („die enge und aktive Zusammenarbeit“,d. Red.) bitte so (in
die neue Legislaturperiode) mit“, halten wir für eine
mittelschwere Drohung. „Bleiben Sie engagiert!“ mag auf das Gros
der Parlamentarier dagegen durchaus zutreffen.
Zu
früh gefreut haben sich CDU-Fraktionschef Joachim Bergmann und
Grünen-Politiker Gunter Gödecke nach Bekanntwerden des positiven
Betriebsergebnisses von fast 30 000 Euro bei der Forsteinrichtung
Stadtwald. Denn ihre Annahme, die Hessen-Forst-Bilanz sei der
umstrittenen FSC-Zertifizierung geschuldet, ist wohl nicht korrekt.
Der Überschuss, so korrigierte Bürgermeister Dr. Daniell Bastian in
der Stadtverordnetensitzung dieser Tage, sei dem gut verlaufenen
Holzverkauf (185 000 Euro) zu verdanken. Die FSCZertifizierung zur
„Stärkung der Nachhaltigkeit des Stadtwaldes“, die das bisherige
PEFC-Siegel (Waldbesitzer-Zertifikat) per CDU/Grünen-Beschluss vom
Herbst 2014 ablöste, greife im Rechnungsjahr noch gar nicht, fügte
der Rathauschef hinzu. Bergmann hatte in einer Pressemitteilung seine
Genugtuung darüber ausgedrückt, dass FSC entgegen der Behauptung
„Böser Zungen“ ein Plus und eben kein Defizit von 200000 Euro in
der Waldbewirtschaftung beschere. „Hier zeigt sich wieder einmal
sehr deutlich, wie sich seriöse Politik von den Stammtischparolen
gewisser ,Scharfmacher’ unterscheidet. Sachliche Argumente bleiben
bei dieser Stimmungsmache in der Regel auf der Strecke, bis die
Wahrheit durch neutrale Gutachten
und Berichte an den Tag kommt.“
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